Spielleiter, bereitet Euch vor!


Ich halte es für ein absolutes „Muss“, dass der Spielleiter sich auf Spielsitzungen vorbereitet, und bin kein Freund des „Freestyle-Leitens“. In diesem Artikel gehe ich auf die Gründe für diese Einstellung ein und mache mir Gedanken zur praktischen Vorgehensweise.

Der wichtigste Tipp für jeden Spielleiter

DSA-Urvater Ulrich Kiesow hat uns nicht nur das wunderbare Aventurien hinterlassen, sondern auch seine humorvollen und oft sehr treffsicheren Rollenspiel-Glossen, die er unter dem Pseudonym Andreas Blumenkamp für die Fantasy-Productions-Hauszeitschrift WunderWelten schrieb.

In ähnlichem Duktus verfasste er auch einen berühmt-berüchtigten Artikel mit dem Titel Auf ein Wort, verehrte Rollenspieler für das DSA-Erweiterungsset Mit Mantel, Schwert und Zauberstab. Diese Sammlung von Rollenspiel-Praxistipps für Spielleiter und Spieler war anno 1993 gewissermaßen mein erster Ratgeber zu meinem größten Hobby – neben diversen hilfreichen Texten aus dem AD&D-2-Spielleiterhandbuch. Kiesows Ausführungen fundierten damals meine Einstellung zum Rollenspielen, bestätigten mich in manchem und ließen mich in anderem auch kritisch reflektieren. Gerade Kiesows initialer Appell an Spielleiter schien mir damals jedoch von marginaler Bedeutung zu sein, zum Teil selbstverständlich, zum Teil überflüssig. Diese jungendliche Naivität habe ich inzwischen zum Glück abgestreift…

Kiesow forderte Spielleiter zum Vorbereiten von Abenteuern und Sitzungen auf und bemerkte zutreffend, dass die Spielleitung umso besser von der Hand geht, je intensiver man sich vorbereitet hat.

Das „dünne graue Heft“ – wie wir diesen Band aus der DSA-Box Mit Mantel, Schwert und Zauberstab (1992) nannten – war die einzige Publikation der zweiten und dritten DSA-Edition (abgesehen von einigen Ausgaben des Aventurischen Boten), die Ratschläge zum Thema Spielleitung enthielt. Mit dem wesentlich später erschienenen Wege des Meisters (2009) widmete Ulisses-Spiele dem Thema schließlich ein eigenes Buch.

Wenn man nur eine Weisheit von Deutschlands – nicht immer unkritisch gesehenem – Rollenspiel-Wegbereiter übernimmt, dann bitte diese!

Eher unbedarft und mit einseitiger Erfahrung glaubte ich anno 1993 jedoch ernsthaft, dass Vorbereitungen für Spielabende erstens immer schnell gemacht wären und zweitens vor allem für weniger kreative Spielleiter nötig wären, denen das Improvisieren schwerfällt. Zur geringen Erfahrung mischte sich bei mir also auch eine gute Dosis arroganter Hybris.

Inzwischen stehe ich dahingehend mit beiden Beinen auf dem Boden: Ich kenne nun den Wert wirklich solider Rollenspiel-Vorbereitung, und ich kenne vor allem den Qualitätsunterschied zwischen einer gut und einer weniger gut bis gar nicht vorbereiteten Spielsitzung.

Nur mit Improvisation geht’s nicht…

Bei der Erkenntnis maßgeblich geholfen haben mir längere Phasen, in denen ich vor allem als Spieler und weniger als SL aktiv war. Das mag paradox klingen, denn für Spieler besteht beim Rollenspielen meistens gar keine oder nur eine geringe Notwendigkeit der Vorbereitung auf eine Spielsitzung. Tatsächlich ist es aber die veränderte Perspektive auf die Geschehnisse, auf die vorgegebenen Handlungsstränge und vor allem auf die praktische Gestaltung und Handhabung der unterschiedlichen Spielsituationen, die ganz neue Eindrücke ermöglichen. Als Spieler sitzt man eben vor allem am Empfangsende und hat nicht immer gefühlt alles in der Hand. Auch hat man mehr Zeit und Ruhe zur Reflexion, denn der stets kreativ arbeitende Kopf eines in Aktion befindlichen Spielleiters erlaubt es naturgemäß eher selten, Spielsituation mit einer gewissen Distanz zu sehen. Schließlich merkt man es als Spieler dem Verhalten des SL an, wenn er Situationen nur aus der Luft greift: eine gewisse Nervosität, längeres Zögern, überspielendes Nachblättern, Würfeln oder Notizenschreiben, Rückfragen an die Spieler, um Zeit zu gewinnen. Natürlich tut man als höflicher Spieler so, als würde man das gar nicht bemerken. Aber man tut es dennoch – alle Spieler bemerken es. Es sind die klaren Anzeichen mangelnder Vorbereitung…

Als SL sollte man seine Spieler eben nicht unterschätzen – schon gar nicht in Hinblick auf soziale Intelligenz. Unsicherheit wittert man schnell. Viel eher sollte man Vorkehrungen treffen, dass es gar nicht dazu kommt und dass man mit relativer Selbstsicherheit zu Werke gehen kann.

Natürlich ist dieser Aspekt der Gesichtswahrung im Vergleich mit anderen Vorzügen von Vorbereitung eher zweitrangig. Deutlich wichtiger ist es, dass das gespielte Abenteuer sinnvolle und konsistente Strukturen aufweist, dass NSC glaubwürdig wirken und dass die Herausforderungen für die Spieler gut ausgearbeitet, fair und befriedigend lösbar sind. Letzteres ist mir sogar der wichtigste Punkt. Gute Ideen, kreative Ansätze und kluges Handeln von Spielern sollten einen spürbaren Wert haben und es ermöglichen, die Aufgaben des Spiels leichter zu absolvieren. Dies ist aber nur möglich, wenn der SL die Aufgabenstellungen und die Konsequenz von Erfolg und Scheitern auch wirklich kennt. Wenn er sie „on-the-fly“ nebenher erfindet, kann er auf cleveres Untersuchen und Nachfragen von Spielercharakteren kaum eingehen. Er weiß ja schließlich selbst noch nicht genau, wie die Herausforderung funktioniert.

Ohne Vorbereitung kann es ein Handout wie diesen Zeitungsartikel (den ich mal für ein Call-of-Cthulhu-Abenteuer erstellt habe) gar nicht geben. Wer also möchte, dass sich die Spieler tatsächlich mit Texten, Schaubildern o. ä. auseinandersetzen können, muss diese vorher parat haben und kann sie nicht einfach „herbeiimprovisieren“.

Allgemeiner gesagt: Rollenspiel mit der traditionellen Aufgabenverteilung zwischen Spielern und SL lebt vom Aspekt der Erkundung durch die Spieler. Erkundung kann logischerweise aber nur vernünftig funktionieren, wenn der SL die Abenteuerregion kennt und sie konsistent Stück für Stück den Spielern vorstellen kann. Kein SL beherrscht die prozedurale Generierung – die ja heute bei Computer- und Videospielen beliebt ist – wirklich gut, denn komplexe Zusammenhänge adhoc in einem sinnvollen Kontext zu präsentieren ist keine Fähigkeit des menschlichen Hirns, vermutlich nicht mal eines Hochbegabten-Hirns.

Vorbereiten muss sich ein SL also – das ist meine ganz klare Überzeugung und auch meine dringliche Empfehlung an solche verehrten Leser, die in diesem Punkt vielleicht bisher unschlüssig oder anderer Meinung waren. Persönlich habe ich noch nie eine Spielsitzung erlebt – weder als SL noch als Spieler –, die durch Vorbereitung schlechter geworden wäre. Hingegen habe ich etliche Sitzungen erlebt – sowohl mit anderen SL als auch selbstgeleitete –, die durch mehr Vorbereitung um gefühlte Lichtjahre besser gewesen wären.

Es soll ja Ratschläge für SL geben, die von Vorbereitungen entweder gänzlich oder zumindest in größerem Maße abraten. Sie stellen das „Freestyle-Leiten“ als die beste Form der Spielhandhabung dar. Ich halte solche Ratschläge für geschmacklich sehr speziell, irreführend oder sogar für rundheraus schlecht beobachtet. Sie sind vergleichbar mit Ermutigungen zum „Freestyle-Kochen“. Einfach gänzlich dem Gefühl nachgehen und alles in den Topf schmeißen, was man gerade findet oder was einem gerade einfällt. Das kann mal ganz gut werden. Wenn die Zutaten hochwertig genug sind, überdeckt das vielleicht die Tatsache, dass sie eigentlich gar nicht gut abgestimmt sind. Letztlich ist es jedoch pure Glückssache und insgesamt auch recht unwahrscheinlich, dass etwas wirklich Leckeres dabei herauskommt – zumal etwas, das auch anderen schmeckt und nicht nur dem Koch selbst. Beim Spielleiten ist es ganz ähnlich. Sind die Zutaten – die Spielweise der Spieler, die Qualität der Spielumgebung und die generelle Improvisationsfähigkeit des SL – gut genug, kann reines Freestyle-Leiten durchaus mal zu einem guten Ergebnis führen. Keineswegs liegt das jedoch am Freestyle-Prinzip selbst: Wo eine Freestyle-Sitzung gut gelingt, wäre eine vorbereitete Sitzung in neunundneunzig Prozent der Fälle noch viel besser gewesen. Den einen Prozent reservieren wir mal für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es gerade die vollständige Ergebnisoffenheit im Spielleiterkopf ist, die eine Rollenspielsitzung zu einem besseren Erlebnis werden lässt. Persönlich habe ich einen solchen Fall – soweit ich weiß – nie erlebt. Und das ist immerhin ein solider Erfahrungsschatz von über 25 Jahren als Rollenspieler.

Meine Empfehlung lautet also klar und deutlich an alle Spielleiter, die traditionelles Rollenspiel betreiben: Bereitet Euch gut vor, immer! Auch wenn Ihr selbst glaubt, Ihr wäret improvisatorische Genies und Eure Spieler würden den Unterschied gar nicht bemerken – sie bemerken ihn. Sie sind schlau. Nur: Sie sagen es Euch normalerweise nicht, wenn sie Euch ertappt haben. Denn: Sie sind meistens auch höflich. 😉 Sich einfach dreist auf die Gutmütigkeit seiner Mitmenschen zu verlassen, ist jedoch nie empfehlenswert. Beim Spielleiten gehört es schlicht zum guten Stil, vorbereitet zu sein – selbst wenn man auch mal ohne könnte.

Die Frage ist also beim Vorbereiten niemals „ob“ – sie ist aber durchaus „wie“.

Wie sollte man sich vorbereiten?

Generell gilt natürlich: Wie man sich am besten vorbereitet, ist genauso persönlich unterschiedlich wie der Spielleitungsstil selbst. Dennoch glaube ich, dass es ein paar allgemeingültige „best practices“ gibt.

Die großen Fragen

Jedes Abenteuer bzw. jeder Abschnitt einer durchgehenden Kampagne ohne Abenteuerunterteilungen hat einige wesentliche Hauptbestandteile. Diese sollten wenigstens grob feststehen, bevor gespielt wird. Am besten formuliert man sie für sich selbst als Fragen, damit klar ist: Man selbst – als SL – muss die Antworten kennen.

  1. Was ist das Ziel und was ist die Hauptmotivation der Spielercharaktere?
  2. Was sind die Hauptgefahren und wer die Hauptantagonisten?
  3. Was sind die wichtigsten Handlungsschauplätze?
  4. Wer sind die die wichtigsten Nebenfiguren?
  5. Gibt es (geplante) Zwischnereignisse oder Nebenstränge? Wenn ja, was sind sie und wo sollen sie vorkommen?

Diese fünf Fragen lassen sich m. E. zu jedem Abenteuer und zu jedem Kampagnenabschnitt stellen. Bevor das jeweilige Abenteuer bzw. der jeweilige Abschnitt beginnt, sollte der SL die Antworten kennen und zu allen fünf Punkten bereits die wichtigsten Details festgelegt haben. Natürlich kann es im Verlauf des Abenteuers/Abschnitts dazu kommen, dass sich durch die bestimmte Vorgehensweise der SC weitere Bestandteile wie Figuren, Schauplätze oder Ereignisse dazugesellen. Die kann der SL natürlich nicht bereits zu Beginn parat haben. In der Sitzung, in der sie auftauchen, muss er also improvisieren. Vor Beginn der nächsten Sitzung empfiehlt es sich jedoch (dringend), dass er diese improvisierten Elemente ausgestaltet und um weitere wichtige Details ergänzt. Das ist dann der Aspekt des Nachbereitens, der oft ähnlich wichtig ist wie der des Vorbereitens. Letztlich ist er aber Teil der Vorbereitung auf den nächsten Spielabend, denn der SL sollte…

Sowohl das Abenteuer als auch die Sitzung vorbereiten

Eine Regionalkarte, die ich für eine Fantasy-Kampagne entworfen habe. So üppig muss eine funktionale Karte sicherlich nicht ausfallen, generell finde ich es aber wichtig, den Spielern einen guten Überblick über die Spielumgebung zu ermöglichen.

Die o. g. großen Fragen sollten unbedingt vor dem Abenteuer/Abschnitt feststehen und mit Details unterfüttert werden. Aber auch vor den meisten einzelnen Spielsitzung sind ein paar Vorbereitungen nötig. Zunächst mal wären da die eben angesprochenen Nachbereitungen, also die Ausgestaltung solcher Elemente, die während des letzten Spielabends hinzugekommen sind. Das können z. B. Namen von neuen NSC, Werte für neue potenzielle Gegner, Details zu neuen oder vorhandenen Schauplätzen, Funktionsweisen von Gegenständen oder Objekten oder die Ausgestaltung ganzer Ereignisse sein, die zuvor nicht eingeplant waren, aber durch die Vorgehensweise der SC ausgelöst werden. Genauso wie mit den „großen Fragen“ vor Beginn des Abenteuers sollte man sich als SL genug mit diesen neu hinzugekommenen Elementen beschäftigen, um am nächsten Spielabend eine sichere Grundlage zu haben. Zu spontanen Änderungen kann – und wird – es sowieso immer wieder kommen.

Dann kann es natürlich sein, dass der SL schlicht seine Erinnerung auffrischen möchte. Hier gilt: Sobald man sich unsicher hinsichtlich einzelner Bestandteile des Abenteuers/Abschnitts fühlt, sollte man sich die entsprechenden Notizen, Textpassagen, Karten oder Schaubilder nochmal gründlich vor dem nächsten Spielabend anschauen. Das kann bei gekauften wie bei selbsterstellten Abenteuern oder Abschnitten nötig sein. Auch wenn man selbst etwas geschrieben oder entworfen hat, ist es gut möglich (und normal), dass man sich drei, vier Wochen später nicht mehr so gut an alle Einzelheiten erinnert.

Schließlich gibt es da den Aspekt des „Regelnachschauens“. Wenn bei der letzten Spielsitzung Regelfragen aufgetaucht sind, die noch gar nicht oder nur übergangsweise geklärt wurden, sollte der SL das unbedingt als Teil der Vorbereitung auf die nächste Sitzung tun. Zunächst einmal sollte er dafür die verwendeten Regelbücher oder -dokumente überprüfen. Findet er eine entsprechende Regel, ist die Sache erledigt. Nun sollte er diese nur noch seiner Spielgruppe zu Beginn der nächsten Sitzung vorstellen. Falls übergangsweise eine andere (provisorische) Regelung verwendet wurde, ist das kein Problem. Der SL sollte schlicht klarmachen, welche Handhabung ab jetzt gilt.

Natürlich kann es auch sein, dass die gesuchte Regel bisher nicht existiert oder dass sie einem partout nicht gefällt. Dann sollte der SL sich nicht scheuen, selbst eine Regel zu entwerfen oder die „offizielle“ Regel abzuändern. Das beste Regelsystem hat Lücken, und das Erfinden von Hausregeln ist nach wie vor eine sinnvolle und oft nötige Praxis. Wichtig ist einfach, dass der SL eine verlässliche Handhabung für die betreffende Situation etabliert und seine Spieler entsprechend informiert. Schaden kann es sicherlich nicht, in diesem Zusammenhang auch die Meinungen und Vorstellungen der Spieler einzuholen (das schadet eigentlich nie) – aber wie für alle Regeldiskussionen gilt auch hier: Am besten führt man sie vor oder nach der Spielsitzung, nicht währenddessen.

Der Grad an Detail

Grundsätzlich müssen Hauptschauplätze und Haupt-NSC eines Abenteuers/Abschnitts intensiver vorbereitet werden als solche, die eher eine Nebenrolle spielen. Für Hauptschauplätze sollte der SL immer eine Karte anfertigen (entweder nur für sich selbst oder auch für die Spieler), und für Haupt-NSC sollte er zumindest dann regeltechnische Werte festlegen, wenn eine Möglichkeit besteht, dass die SC mit den entsprechenden NSC in einen Kampf oder einen ähnlichen Konflikt geraten. In jedem Fall sollte jeder Haupt-NSC von vorneherein über einen Namen und eine Kurzbeschreibung verfügen, damit die Figur auch über mehrere Spielsitzungen hinweg konsistent bleiben kann.

Für Nebenfiguren reichen oft ein Name und – je nach Bedarf – ein paar zusätzliche Notizen. Für Nebenschauplätze sollte der SL sich notieren, wie sie ungefähr aufgebaut sind und was die SC dort machen können. Handelt es sich um Siedlungen (Dörfer, Städte etc.), dann empfehlen sich Notizen zur Einwohnerzahl, zum Stadtoberhaupt, zur Bewachung sowie zu den verfügbaren Gewerben und Einrichtungen. Karten sind für Nebenschauplätze normalerweise nicht nötig, aber natürlich kann es für die Spieler ein nettes Extra sein, wenn der SL ihnen z. B. von der Stadt, in der die SC ihre Wunden auskurieren oder Vorräte einkaufen, einen visuellen Eindruck verschaffen kann. Nötig ist sowas aber nicht, und eine Priorität sollte es auch nicht haben.

Diesen Plan eines Ritterguts habe ich vor einigen Jahren für eine Kampagne in Aventurien gestaltet. Eine genaue Karte schien mir hier wichtig zu sein, denn das dargestellte Dorf Tiefenhain war Dreh- und Angelpunkt der Kampagne und Heimatbasis aller Spielercharaktere.

Ob eine genauere Karte von einem Schauplatz nötig ist, sollte vor allem davon abhängig gemacht werden, ob der SL hier eine direkte Erkundung durch die SC vorsieht. Der klassische Fantasy-Dungeon ist definitiv ein solcher Fall, aber auch alle ähnlichen Orte, an denen Gefahr lauert und bei denen es einen Unterschied macht, welchen Weg die SC gehen oder wann sie sich wo aufhalten. Ist der genaue Weg oder die genaue Position der SC hingegen nicht von Bedeutung, reicht auch eine eher grobe Karte, die einen allgemeinen Eindruck vom Aufbau des Ortes verleiht, oder – bei Nebenschauplätzen – eine rein verbale Beschreibung.

Für eingeplante Ereignisse – z. B. eine Begegnung mit einem bestimmten NSC, ein Räuberüberfall auf ein Dorf, ein Mordanschlag auf einen bestimmten NSC oder ein heftiges Unwetter – sollte der SL sich Details zum Ablauf und zu den Auswirkungen notieren sowie zu dem voraussichtlichen Zeitpunkt, an dem das Ereignis eintritt. Falls sich während des Abenteuers herausstellt, dass das Ereignis sinnvoller an einem anderen Zeitpunkt oder aber gar nicht mehr eintreten sollte (weil es z. B. vereitelt wurde), sollte der SL darauf eingehen und sich nicht sklavisch an seine Notizen halten.

Überhaupt dienen all diese Vorbereitungen der Sicherheit des SL und nicht als Ersatz für seine Urteilsfähigkeit und seinen dramaturgischen Sinn. Sie sind kein festes Regelwerk und kein Computerprogramm, das nur noch abzulaufen braucht. Viel eher würde ich sie mit einer guten Routenplanung vergleichen: Sie zeigen dem SL das Ziel und einen möglichen, guten Ablauf bzw. einen Weg zum Ziel – sie verhindern aber nicht andere Wege, Umwege oder Zwischenstationen. Es geht also um eine solide Grundlage und um die Selbstsicherheit des SL, nicht darum, sich exakt nach einer Vorlage zu richten. Gründliche Vorbereitung einer Rollenspielsitzung ermöglicht es tatsächlich, sehr flexibel auf die Vorgehensweise der Spieler einzugehen und gleichzeitig die Strukturen des Abenteuers/Abschnitts sinnvoll aufrechterhalten zu können. Genau diese Kombination aus gewährter Freiheit und beibehaltener Kontrolle ist die eigentliche Stärke von Vorbereitung.

Es gibt kein Zuviel

Natürlich können (und wollen) sich die allermeisten SL dem Rollenspielen nicht als Vollzeitbeschäftigung widmen. Alltagsbedingt ergeben sich bereits deutliche Zeitbeschränkungen. Hinzu kommt die Tatsache, dass Vorbereitungen – direkt gesagt – oft nicht den größten Spaß machen und eher einen Pflicht- als einen Vergünungscharakter haben. Sie sind aber ein nötiges „Übel“, und jedes bisschen mehr investierte Zeit kann ein Qualitätsplus beim nächsten Spielabend bedeuten. Wer also den inneren Schweinehund überwinden kann und z. B. ein paar zusätzliche Details festlegt, eine weitere Karte zeichnet, Spielwerte im Vorfeld ausrechnet oder vielleicht ein Porträt für einen wichtigen NSC organisiert, kann davon deutlich profitieren. Ein flüssigerer Ablauf, detailliertere Beschreibungen und mehr Anschaulichkeit machen eine Spielsitzung immer besser, niemals schlechter.

Bei Vorbereitungen gilt also generell die Maxime: Viel hilft viel. Gleichzeitig sollte man im Kopf behalten, dass man sich aber niemals übermäßig strapazieren oder unter Druck setzen sollte. Gerade kurz vor einer Spielsitzung sollte man nicht genervt oder erschöpft sein, denn ansonsten leidet das Spiel durch die eigene Verfassung mehr als es durch die Vorbereitungen profitiert. Dem vorbeugen kann man, indem man Vorbereitungen einfach rechtzeitig macht: nicht erst eine Stunde vor Spielbeginn, aber z. B. am Tag zuvor. Die grundlegenden Vorbereitungen für ein neues Abenteuer oder einen neuen Abschnitt sollten hingegen wenigstens eine Woche vorher beginnen – bei gekauften Abenteuern je nach Leseaufwand auch schon eher. Das gibt dem SL genügend Zeit, sich mit allen wichtigen Details zu familiarisieren, sich Notizen zu schreiben, Handouts für die Spieler vorzubereiten und – falls nötig – zusätzliche Recherche zu betreiben.

Schade ist es selbstverständlich immer ein wenig, wenn ein aufwändig vorbereiteter SL nur einen Teil des präparierten Materials benötigt. Vielleicht haben die SC einen gänzlich unerwarteten Weg eingeschlagen oder einen bestimmten – intensiv vorbereiteten – Bestandteil des Abenteuers außen vor gelassen. So kommen vielleicht liebevoll ausgedruckte NSC-Porträts, ein clever ausgeheckter Hinterhalt oder eine in stundenlanger Arbeit erstellte Karte der Kanalisation nicht zum Einsatz. Schade. Aber viel besser so als der umgekehrte Fall!

Außerdem brauchen diese unbenutzten Vorbereitungen ja nicht ungesehen zu verschwinden; die Spieler haben sicherlich Verständnis, wenn man ihnen das Material nach Abschluss des Abenteuers/Abschnitts einmal zeigen möchte  – nach dem Motto „das hättet ihr noch entdecken können“. Vorbereitungen in diesem Maßstab sind schließlich vor allem eine Wertschätzung der Spieler und zeigen: Dieser SL will allen Teilnehmern eine Rollenspielerfahrung auf hohem Niveau bescheren.

Ein Freund schilderte neulich genau einen solchen Fall. Er hatte sich als SL minutiös auf eine Kampagne vorbereitet und stellte schließlich fest, dass er eine Reihe sorgfältig erstellter Handouts gar nicht benötigte. Die Spieler hatten eben mal wie einen ganz anderen Weg gewählt – typisch! 😉 Mein Kommentar dazu: „Daran sieht man, dass Du ein besonders guter SL bist – Du hast Deinen Spielern die volle Freiheit gegeben und warst auch noch für alle Fälle vorbereitet. Hut ab!“


Soweit zu meinen Gedanken zum Thema Vorbereitung. Welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht? Teilt Ihr meine Meinung, dass man als SL im Normalfall immer gut vorbereitet sein sollte – oder seid Ihr da ganz anderer Ansicht? Ich freue mich auf Eure Kommentare.

5 Gedanken zu „Spielleiter, bereitet Euch vor!“

  1. Im Prinzip ja, aber…
    Zumindest mir passiert es regelmäßig, dass ich mich in Vorbereitungen verliere, vor allem bei aufwendigen Settings. Je mehr und je weniger strukturiert aufgearbeitetes Material vorhanden ist, komme ich mitunter leicht auf eine Vorbereitungszeit, die das doppelte der Spielzeit beträgt. Ist es das wert? Auf die Gesamtzeit aller Mitspieler gerechnet wahrscheinlich schon, allerdings bin ich als SL halt der, der diese Zeit investieren muss, und ich würde gerne mit weniger auskommen…

  2. Klar, Vorbereitungsaufwand kann sich förmlich verselbständigen, und das kann dann zu dem führen, was D&D-Designer Jeremy Crawford als „DM burnout“ bezeichnet.

    Um dem vorzubeugen, ist es m. E. eine gute Methode, sich bei der Ausarbeitung von genaueren Details zunächst auf solche Bestandteile zu konzentrieren, die in der folgenden Sitzung auch höchstwahrscheinlich nötig sein werden. Mit dieser Prämisse kann man sich den Vorbereitungsaufwand je nach Sitzung einteilen, jeweils abhängig von der De-facto-Position der Spielercharaktere im Abenteuer bzw. in der Kampagne.

    Die zentralen Rahmenbedingungen sollten natürlich bereits zu Beginn gestaltet werden, aber bei den Details (z. B. der genauen Beschaffenheit bestimmter Abenteuerorte) finde ich eine Vorbereitung für den jeweiligen Spielabend absolut ausreichend und manchmal sogar sinnvoller.

  3. Ich bin ein Freund davon, Szenerie, Umgebung vorzubereiten, nicht konkrete Heldenhandlung. Zur Unterstützung gute Zufallstabellen. So gerate ich nicht in den Zwang, selbst etwas zu forcieren, obwohl die SC es ganz anders versuchen wollen.

    Oder anders: ich überlege mir das Problem, aber nicht die Lösung. Da dürfen die SC ran …

  4. Ich denke, das ist eine vernünftige Vorgehensweise.

    Wenn man natürlich Rätsel oder ähnliche Herausforderungen gestaltet, überlegt man sich ja normalerweise automatisch schon eine mögliche Lösungsweise. Aber in vielen anderen Situationen macht es sicherlich Sinn, weitestgehend ergebnisoffen zu planen.

  5. Wenn die Spieler an schön vorbereitetem Material vorbeilaufen, würde ich ihnen das niemals im Anschluss zeigen. Denn irgendwann kann noch einmal eine Situation kommen, in der man das gut anpassen und recyceln kann! So viel Durchtriebenheit darf man sich als SL zugestehen 😉

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