Ist der neue D&D-Film ein guter Fantasy-Film? – Meine (spoilerfreie) Filmkritik

Ich habe den neuen D&D-Film Ehre unter Dieben (Honor Among Thieves) gesehen und äußere hier meine Gedanken dazu.

Nonstop Nonsens

Schon der Trailer, der vor allem Gags und slapstickhafte Action zeigte, ließ mich vermuten, dass Comedy im Film eine große Rolle spielen würde. Wie groß diese Rolle sein würde, ahnte ich jedoch nicht, denn: Ehre unter Dieben ist tatsächlich vor allem ein Comedy-Film. Kaum eine Szene – sei es bei einem Dialog, einem Kampf, einer Flucht oder einer Reise – kommt ohne Witzchen, Anspielungen oder Ironie aus. Selbst wenn Magie oder phantastische Kreaturen auftauchen, wird vor allem deren komische Seite betont.

Erwartet man das, wenn man ins Kino geht, um einen Fantasy-Film zu sehen? Ich würde sagen: nein. Zu den erwartbaren Eigenschaften eines Fantasy-Films zählen normalerweise eine abenteuerliche Atmosphäre, eine spannende und mysteriöse Story, die Faszination einer anderen Welt und mitreißende Action. Von diesen bietet dieser neue Versuch, die D&D-Marke cinematisch umzusetzen, nur sehr wenig. Der allgegenwärtige Humor lässt jede Bemühung des Zuschauers, sich in die Handlung, die Charaktere oder das Setting (Faerûn, der Hauptkontinent der Vergessenen Reiche) hineinzuversetzen, bereits im Ansatz scheitern. Um von einem Film gefesselt zu sein, bedarf es nun mal einer grundlegenden Ernsthaftigkeit und außerdem einer gewissen dramaturgischen Glaubwürdigkeit. Ein bisschen „Comic Relief“ darf sein, aber eben vorsichtig dosiert und nicht so allgegenwärtig und allesüberlagernd wie hier.

Die Faerûn-Version von „Guardians of the Galaxay“

Die Idee, Phantastik vor allem humorvoll zu inszenieren, ist natürlich nicht neu und kennt einige größere Vorreiter. Besonders erwähnenswert ist in diesem Kontext Guardians of the Galaxy (2014). In diesem, größtenteils gelungenenen, Sci-Fi-Superhelden-Film wird zwar auch viel gekalauert und die Comic-Vorlage mit einer guten Dosis Selbstironie umgesetzt. Dennoch war der Film nicht nur äußerst erfolgreich, sondern gefällt auch den Comic-Fans und genügt selbst künstlerischen Ansprüchen. Das hat wohl zum einen mit James Gunns gekonnter Regiearbeit zu tun, zum anderen sicherlich aber auch mit der richtigen Dosierung des (großen) Humoranteils. Guardians gelingt es, neben all der Comedy auch abenteuerlich und spannend zu sein und viel tatsächlich superheldige Action zu bieten, wie man sie sich als Fan der Marvel-Storys erhofft.

Für mich steht fast außer Frage, dass die Macher von Ehre unter Dieben das Guardians-Konzept haben Pate stehen lassen. Eigentlich ist das keine schlechte Wahl, denn Guardians gelang es — wie gesagt — rundum zu überzeugen und die spacige Superhelden-Thematik sogar für solche Kinogänger attraktiv zu machen, die normalerweise einen großen Bogen um Marvels Leinwand-Werke machen. Dies war wohl auch beim D&D-Film das erklärte Ziel: nicht nur D&D-Fans anzusprechen, sondern auch Rollenspiel-Unkundige zu begeistern. Erreicht werden sollte dies durch den hohen Comedy-Anteil, denn lachen tut bekanntlich jeder gerne. Übersehen wurde dabei jedoch, dass man nicht nur ein gutes Vorbild (Guardians), sondern eben auch selbst ein gutes Feingefühl und schreiberisches wie inszenatorisches Talent braucht, um auch dem Teil des Publikums zu gefallen, der nicht nur lachen will. Rollenspiel- und fantasytypische Abenteuerstimmung kommt bei Ehre unter Dieben tatsächlich sehr wenig auf, denn die Macher sind einfach zu sehr damit beschäftigt, die Kuriositäten der D&D-Franchise aufs Korn zu nehmen.

Was macht einen guten Fantasy-Film aus?

Ein Fantasy-Film muss sich nun mal zu einem guten Teil selbst ernst nehmen, wenn er auch als Fantasy-Film und für Fantasy-Fans gelingen möchte. Dies ist für das Genre Fantasy noch bedeutend wichtiger als für das Superhelden-Genre, denn letzteres spielt zumeist nicht in einer gänzlich fiktiven Umgebung, zu deren Greifbarmachung eine glaubwürdige und immersive Darstellung notwendig sind. Zudem können Superhelden-Storys und -Filme auch sehr gut als (ironisch überspitzte) Kommentare auf die Realität funktionieren, wobei sie sogar effektiv sein können, ohne viel Genretypisches zu bieten — siehe hier z. B. den aufwühlend-energetischen, aber kaum superheldigen (bzw. „superschurkischen“) Joker-Film von 2019.

Fantasy-Filme aber brauchen das Genretypische, denn in ihnen muss das Unglaubwürdige glaubwürdig gemacht werden, um dem Zuschauer das Hineinversetzen in die fremde Welt zu ermöglichen. Die Welt muss hier lebendig und nicht nur wie eine Bühne für oberflächlichen Comedy-Quatsch mit Disney- und Pixar-Geschmäckle wirken. Die „vierte Wand“ sollte möglichst gar nicht durchbrochen werden, um die fragile Immersivität aufrechtzuerhalten. Comic Relief darf vielleicht hier und da geschehen, aber stets vollkommen weltintern und ohne Anspielungen auf der Metaebene. Und dann ist da die Notwendigkeit des Abenteuerlichen: Fantasy lebt von Abenteuer und Geheimnis und den Stimmungen, die damit verbunden sind. Thematisch wie darstellerisch sollte ein Fantasy-Film daher vor allem darum bemüht sein, diese Stimmungen einzufangen. Reisen durch urtümliche Landschaften, das Erforschen geheimnisumwitterter und gefährlicher Orte, Begegnungen mit phantastischen und dennoch überzeugend realisierten Kreaturen und magischen Phänomenen sowie eine gute Dosis pseudo-mittelalterlichen Flairs — aus diesen Bestandteilen sollte ein Fantasy-Film bestehen.

Ein D&D-Film im Speziellen sollte sich außerdem fragen, ob es nicht sinnvoll ist, die für das zugrundeliegende Spiel zentralen Aspekte der Dungeon-Erforschung und der kämpferischen Auseinandersetzung inhaltlich in den Vordergrund zu stellen und diese angemessen umzusetzen. Anders gesagt: Ehre unter Dieben fehlt klar Dungeon-Action! Er macht einen viel zu kurzen, spannungsarmen und noch dazu komödiantisch verwässerten Abstecher ins faerûnsche Unterreich und bietet uns dann Richtung Finale noch mal eine beinahe schon dreist wirkende Entschuldigung für ansonsten nicht vorhandene Verlies-Abenteuer — gewissermaßen eine Art Meta-Dungeon, der noch dazu die anderweitig ausbleibende Berücksichtigung der D&D-Kreaturenvielfalt auf einen Schlag wettmachen will. Auf den Dungeon- und Fantasy-Fan wirkt das aber eher wie eine Verhöhnung der geliebten Topoi, die geradliniger, aber aufrichtiger Abenteuerlichkeit eine Banalität und eine historische Überholtheit zu unterstellen scheint. Ein Seitenhieb auf OSR-Fans? Es wirkt ein bisschen so, mag aber nicht bewusst intendiert sein. In jedem Fall ist es ein unbefriedigend künstlich wirkendes Nachreichen von zuvor im Film vermissten Inhalten.

Thema verfehlt. Setzen, Sechs?

Heißt das also, dass ich Ehre unter Dieben für einen schlechten Film halte? Nein, ich halte ihn für einen mittelmäßigen Film, der je nach Erwartungshaltung des Zuschauers sowohl enttäuschen als auch positiv überraschen kann. In jedem Fall ist Ehre unter Dieben als Fantasy- und Abenteuer-Film eindeutig falsch kategorisiert: Sicherlich, er spielt in der Fantasy-Welt der Vergessenen Reiche und enthält vordergründig zahlreiche Fantasy- und Abenteuer-Film-Elemente. Für das Filmerlebnis haben diese Elemente jedoch nur wenig Bedeutung, denn die absolute Dominanz des Comedy-Anteils erlaubt ihnen so gut wie keine nennenswerte Entfaltung. Ganz ehrlich beworben müsste es heißen: „Ehre unter Dieben ist ein Comedy-Film in Faerûn.“

Wenn Ihr Euch den Film also mit der Erwartungshaltung anschaut, eine Fantasy- und Rollenspiel-Satire mit diversen ironisierenden D&D-Anspielungen zu sehen, dann werdet Ihr tatsächlich nicht enttäuscht werden, sondern vermutlich durchaus Euren Spaß haben. Denn so manche Gags sind gelungen und der Humor stellenweise frisch und originell.

Wer jedoch im Kino gerne wirkliche Fantasy-Erzählung und -Stimmung erleben möchte, echte Spannung und viel angemessene Action erwartet und sich durch einen Film gerne in eine andere Welt versetzen lässt, der kommt hier sicherlich nicht auf seine Kosten. Gegenüber den wirklich großen humorvollen Phantastik-Filmen wie Guardians of the Galaxy, Die Braut des Prinzen oder den Evil-Dead-Filmen wirkt Ehre unter Dieben zudem eher unbeholfen einseitig.

Was lässt sich sonst noch sagen? — Gute Darsteller, viel zu sterile Kulissen und Ausstattung, sehr mittelmäßige Regie, zu wenige, aber technisch gut gemachte Action-Szenen, enttäuschende Halblinge, aber dafür immerhin ein überzeugender Eulenbär.

Fazit: eindeutig nicht empfehlenswert als Fantasy- und Abenteuerfilm, aber durchaus empfehlenswert als Comedy-Film


Soviel zu meiner Meinung zum neuen D&D-Film. Stimmt Ihr mir zu, widersprecht Ihr? Über Kommentare freue ich mich wie immer sehr.

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