Die Entwicklung von DSA: Interview mit Thomas Römer

Was denkt Thomas Römer, einer der wichtigsten Regeldesigner der DSA-Geschichte, heute über die 3W20-Probe und andere charakteristische Aspekte des Spiels? Wie würde er eine neue Edition des Systems gestalten? Diese und andere Fragen hat mir Thomas freundlicherweise in einem kleinen Interview beantwortet, das den ersten Teil meiner neuen Serie Die Entwicklung von DSA bildet.

Auch ein visueller Rückblick darf nicht fehlen: Thomas Römer anno 1987, als er sich zur DSA-Redaktion gesellte.

In dieser Serie spüre ich der Entstehung und Entwicklung des DSA-Regelwerks nach – von den einfachen, aber soliden Anfängen 1984 bis zur hohen Komplexität von DSA 4 und 5 heutzutage. Dabei interessieren mich die Inspirationen und Zielsetzungen der Entwickler sowie die Ursprünge und Hintergründe einzelner Regelmechanismen und ihrer Veränderungen im Laufe der Jahre.

Zwar können wir leider weder den 1997 verstorbenen DSA-Urvater Ulrich Kiesow noch den ursprünglichen Mitentwickler Hans-Joachim Alpers, der 2011 verstarb, zu diesen Dingen befragen. Alle weiteren wichtigen Wegbereiter des Regelwerks möchte ich jedoch im Laufe dieser Serie interviewen und dabei ergründen, warum DSA heute so ist wie es ist und welche Einflüsse und Überlegungen dafür verantwortlich sind.

Los geht es nun mit einem Interview mit Thomas Römer. Thomas war von 1987 bis 2011 für das Spiel tätig und von 1997 bis 2011 Chefredakteur der DSA-Redaktion (bis 2008 zusammen mit Florian Don-Schauen). Sein vermutlich wichtigster Einfluss findet sich in den Magieregeln wieder, die er seit der Magiebox der 2. Edition (1989) maßgeblich geprägt hat. Aber auch an der Entwicklung aller anderen Regelbereiche war er seit dieser Zeit beteiligt.

Das Interview

Vorab vielen Dank an Thomas, der sich Zeit für dieses E-Mail-Interview genommen hat! Einige im Interview genannte Produkttitel und Stichworte habe ich zur schnellen Referenz mit entsprechenden Verlinkungen ausgestattet. Bilder und Sidebars habe ich zur Veranschaulichung nachträglich hinzugefügt. Auf geht’s!

Frage 1

War HârnMaster (1986) eine wichtige Inspirationsquelle für DSA 2 (1988)? Es gibt einige auffallende Ähnlichkeiten im Regeldesign.
Für die Abbildung von HârnMaster links: © Columbia Games 2022. Nutzung mit Genehmigung.
Für die Abbildung des Abenteuer-Basis-Spiels rechts: © Schmidt Spiele. Nutzung mit Genehmigung.

Mit der 2. Edition (1988) erhielt DSA ja die meisten seiner besonders charakteristischen Regeln, von denen einige bis heute Bestand haben. Seit längerem habe ich die Vermutung, dass manche dieser mit DSA 2 eingeführten Regeln von einem anderen Rollenspielsystem inspiriert wurden, nämlich von HârnMaster (1986). Bei mehreren wichtigen Bestandteilen (siehe Sidebar weiter unten) besteht m. E. eine deutliche Ähnlichkeit. Ist mein Eindruck hier falsch, oder hat bei der Entwicklung von DSA 2 HârnMaster Pate gestanden? Kann zumindest davon ausgegangen werden, dass HârnMaster der damaligen Redaktion und DSA-Hauptentwickler Ulrich Kiesow bekannt war? Dass Du selbst HM gut kennst, steht ja ohnehin fest, zumal Du ja – wenn ich richtig informiert bin – sogar Übersetzer der ersten HM-Edition ins Deutsche warst. Aber wie sieht es in dieser Hinsicht bei den anderen Mitgliedern der frühen Redaktion aus?

Thomas Römer:

Hm, ich habe jetzt tatsächlich nur wenige, fast ausschließlich englische, Hârn-Titel hier liegen und bin mir eigentlich recht sicher, dass ich für die deutsche Ausgabe eher was in Sachen Layout ausgeholfen habe als bei der Übersetzung. Ich kannte es aber natürlich, weil es damals als das „realistischste“ System galt.

Ich gehe mal davon aus, dass Ulrich Kiesow es ebenfalls kannte, da er aber selbst kein so großer Realismus-Freund war, denke ich, dass die Einflüsse eher unterbewusst waren. Und – ich habe jetzt den jeweiligen Regelstand anderer Systeme von 1988 jetzt nicht im Kopf – ich denke, dass es da sicher mehrere Einflussfaktoren gab, vermutlich am stärksten RuneQuest/BRP. Und: Viele der aufgeführten Punkte sind ja auch nicht einmalig für Hârnmaster. Der WV zumindest könnte aber Hârn-Gene haben.

Warum ich hier ausgerechnet eine Verbindung zu HârnMaster herstelle?

Zwar stimmt es, dass sich auch in einigen anderen Spielsystemen der damaligen Zeit Regeln und Mechaniken finden, die denen von DSA 2 ähnlich sind, doch nur bei HârnMaster findet sich für fast die gesamte Palette der mit der zweiten DSA-Edition eingeführten Neuerungen ein verdächtig ähnliches Gegenstück.

Die auffälligsten Ähnlichkeiten sind:

• die Zuordnung von immer genau drei Eigenschaften zu allen Talenten und Zauberfertigkeiten;

• die Tatsache, dass Zauberfertigkeiten regeltechnisch genauso gehandhabt werden wie Talente;

• die Ähnlichkeit zwischen der Berechnung von AT-/PA-Basiswerten und der Berechnung des „Skill Base“ bei HM;

• die Einführung eines Behinderungs-Werts für Rüstungen und mitgeführtes Gewicht (analog zur „Encumbrance Penalty“ bei HM);

• der über Kreuz berechnete Waffenvergleich;

• die vom Geburtsmonat abhängigen „astrologischen“ Modifikatoren (die bei DSA sog. „Göttergeschenke“);

• die waffenspezifischen und entfernungsbasierten Angriffs- und Schadensmodifikatoren für Fernkampfwaffen.

Den ersten Punkt – die Zuordnung von immer genau drei Eigenschaften pro Talent und Zauberfertigkeit – halte ich für besonders bemerkenswert. Thomas vermutet ja eine stärkere Beeinflussung Ulrich Kiesows durch RuneQuest bzw. das Basic-Role-playing-System von Chaosium, doch obwohl auch diese jeder Fertigkeit ein oder mehrere Attribute zuordnen, gab es hier keine einheitliche Dreiförmigkeit und auch nicht je nach Fertigkeit unterschiedliche Attribute. Bei HârnMaster ist jedoch genau das der Fall.

Frage 2

Mit der zweiten Edition erhielt DSA sein noch heute verwendetes Talentsystem mit den jeweils drei zugeordneten Eigenschaften und der 3W20-Probe. Hier zu sehen: Heldendokument samt Talentliste von DSA 2.
© Schmidt Spiele. Nutzung mit Genehmigung.

Du erwähntest in Deiner Antwort-Mail, dass in der frühen DSA-Redaktion die alternative Umsetzung des Talentsystems mit je drei Eigenschaften in Form von berechneten Mittelwerten (ähnlich der AT-/PA-Basiswerte und eben auch wie bei HM) diskutiert wurde. Das finde ich hochinteressant. Final haben wir ja stattdessen die Talentprobe mit den drei separaten Teilproben bekommen, die es noch heute gibt. Wie war damals das Meinungsklima zu diesem Aspekt unter den DSA-Machern? Wurden von manchen Autoren andere Lösungen präferiert? Was war Deine persönliche Einstellung dazu, und wie siehst Du das heute?

Thomas Römer:

Das sind Entwicklungen „vor meiner Zeit“ – als wir zum Team gestoßen sind, war die DSA-2-Basisbox ja bereits fertig entwickelt. Dass das 3W20-System bei der Entstehung diskutiert wurde, habe ich so von Ulli Kiesow gehört, kann da aber selbst nichts dazu sagen. Wir haben dann für die Magiebox das bestehende System so übernommen – und da war es klar, dass wir für die Magie möglichst kein separates Subsystem haben wollten. Ich fand die damalige Lösung zwar etwas unhandlich, aber die Kopplung an mehrere Eigenschaftswerte schon zielführend und auch eigenständig. Das ist dann nach kurzer Zeit in Fleisch und Blut übergegangen, aber heutzutage würde ich von vornherein auf ein schnelleres System setzen.

Frage 3

Die ersten Talentregeln für DSA – vorgestellt im Buch der Regeln II des Abenteuer-Ausbau-Spiels – funktionierten noch genauso wie Eigenschafts- und Kampfproben: einfach und schnell mit 1W20 gegen den Talentwert.
© Schmidt Spiele. Nutzung mit Genehmigung.

DSA hatte ja noch vor der 2. Edition ein Talentsystem – und zwar seit dem DSA-1-Ausbauspiel (1985). Darin funktionierten Talentproben genauso wie Eigenschaftsproben oder Attacken und Paraden, denn es wurde schlicht mit 1W20 auf den Talentwert gewürfelt. Was hältst Du von diesen ursprünglichen Talentregeln, vor allem im Vergleich zur später etablierten 3W20-Probe?

Thomas Römer:

Wir haben zumindest nie mit ihnen gespielt; wir sind relativ schnell auf DSA2 gewechselt und waren dann gewissermaßen die „Testgruppe“ für die Neuerungen in DSA3. Grundsätzlich haben wir für DSA4 aber die Idee der unterschiedlich schwer zu erlernenden Talente aus genau diesem Talentsystem wiederbelebt.

Heutzutage würde ich vermutlich so ein Talentsystem nirgendwo inkorporieren wollen. Nicht, weil ich unbedingt die Verbindung mit den Attributen bräuchte, sondern weil ich vor allem lineare Unterwürfelsysteme nicht wirklich mag. Und gerade, wenn man mit minimalen Werten anfängt und der Zufallsfaktor so viel größer ist als die Qualität des Helden … nee, nicht meins.

Frage 4

Schätzungsweise wurde mit DSA 2 zur 3W20-Probe gewechselt, weil dadurch einerseits mehr „Realismus“ und andererseits eine stärkere Miteinbeziehung der Eigenschaften ins Gesamtsystem erreicht werden sollte. Würdest Du sagen, dass die 3W20-Probe diese Ziele erreicht hat und dass es sich um eine qualitativ gute Lösung (im Hinblick auf Flüssigkeit und Spielbarkeit) handelt? Gibt es gute Alternativen?

Thomas Römer:

Eine der von Thomas hier angesprochenen großen Schwächen der 3W20-Talentprobe ist die sehr schwierige stochastische Einschätzbarkeit. DSA-Kollege Florian Don-Schauen hat dieses Problem ausführlich und anschaulich im DSA-4-Band Wege des Meisters (2009) auf S. 168 ff. diskutiert.
© 2009 Ulisses Spiele. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN, DERE, MYRANOR, THARUN, UTHURIA, RIESLAND und THE DARK EYE sind eingetragene Marken der Ulisses Spiele GmbH, Waldems. Die Verwendung der Grafiken erfolgt unter den von Ulisses Spiele erlaubten Richtlinien. Eine Verwendung über diese Richtlinien hinaus darf nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH erfolgen.

Nö, ich gehe mal davon aus, dass im Regelbereich „Realismus“ nie Ulli Kiesows Ziel war, eher schon die Kopplung an die Eigenschaften, was er in unserer ersten Begegnung auch betonte. Und ich denke, das Ziel erreicht die 3W20-Probe auch. Wenn man damit durchgehend spielt ist es auch flüssig – aber nie wirklich durchsichtig. Und gerade als SL brauchst du schon bisweilen eine Heuristik, wie du an Werten drehen kannst. Und es ist halt – gerade weil bei DSA auch recht häufig gewürfelt wird – ein unnötig hoher Operationsaufwand (also: an Würfel-, Vergleichs- und Rechenoperationen).

Und ja, es gäbe jede Menge Alternativen, da kommt es immer darauf an, auf was man den Schwerpunkt legen will. (Mal davon ausgehend, dass ich ein „klassisches“ System beibehalten und nicht ein Erzählspiel gestalten will.) Wenn ich den Wert von Eigenschaften und von Talenten erhalten will, und meinetwegen den W20 noch dazu, könnte man schauen, dass die Skala von Eigenschaften und Talenten jeweils von 1–10 geht und man mit W20 gegen die Summe würfelt, wobei man möglichst hoch, aber nicht über dem Wert würfeln muss. Die Höhe des Wurfs bestimmt dann die Qualität (evtl. in Stufen) und kann bei vergleichenden Proben z.B. zur Differenzbildung verwendet werden. Bei offenen Proben können so erzielte Punkte für Kampfmanöver, Spontane Modifikationen beim Zaubern o.ä. eingesetzt werden. Damit könnte man Proben auf Talente und auf Kampffertigkeiten vereinheitlichen. Aber wie gesagt, nur eine mögliche Lösung (und nun auch nicht die Neuerfindung des Rades).

Frage 5

Du bist ja schon seit längerem nicht mehr für DSA, sondern hauptsächlich für Splittermond tätig. Aber nur mal als Gedankenspiel angenommen, Du hättest quasi ab heute die Möglichkeit (und natürlich das Interesse), eine komplett neue Version der DSA-Regeln (quasi ein fiktives DSA 6) zu schaffen: Würdest Du die zentralen Bestandteile genauso handhaben wie in den Vorgängeredition bzw. was würdest Du anders machen (nicht nur, aber auch in Hinblick auf die Talentregeln)? Gäbe es z. B. noch eine 3W20-Talent- oder Zauber-Probe?

Thomas Römer:

Eine Alternative zur bestehenden 3W20-Talentprobe, die sich Thomas für ein hypothetisches DSA 6 vorstellen kann, entspricht dem Würfelsystem, das vom Aventurien-Alternativregelwerk Ilaris verwendet wird: auch 3W20, wobei jedoch nur der mittlere der drei Würfelergebnisse gezählt wird. Hierzu wird dann der Talentwert addiert und die Gesamtsumme mit einem Mindestwert verglichen.
Nutzung mit Genehmigung des Autors.

Ach, mein DSA 5 wäre ein 4.5 gewesen – die meisten Ansätze aus 4/4.1 fand ich schon richtig (wen wundert’s), aber das hat sich einfach sehr schnell aufgebläht. Ich hätte da ziemlich viel gehobelt und stromlinienförmiger gemacht, es gäbe keine separaten ZF für einzelne Zauber, die Regeln für göttliches Wirken und Zauberei wären vereinheitlicht, SFs stärker strukturiert, die Paketboni bei der Generierung weg. Aber es wäre DSA mit Parade, 3W20 und Astralenergie geblieben – das ist das, was die Spielerbasis wollte.

Und bis auf die 3W20-Probe würde ich die Randparameter auch beibehalten, wenn ich heute ein DSA6 entwickeln würde. Eine Alternative hab ich ja oben schon skizziert. Was auch ginge, wäre die 3W20 beizubehalten, aber da nur den mittleren Wert zu nehmen und auf Eigenschaft plus Talentwert aufzuaddieren. Und anstatt vieler Modifikatoren dann ähnlich wie bei 5e mit Vor- und Nachteil zu arbeiten, also statt des mittleren W20-Wurfs den besseren oder schlechteren einzusetzen. Außerdem würde ich Eigenschaft und Fertigkeit nicht fest, sondern situationsabhängig koppeln. Bei der Generierung gäbe es mehr einheitliche Templates für Kultur und Profession und keine Einzel-AP-Verwaltung.

Frage 6

Rollenspielst Du selbst noch in Aventurien? Wenn ja, welches Regelwerk nutzt Du dafür? Wenn nein, welches Regelwerk würdest vermutlich nutzen, wenn es mal wieder dazu käme?

Thomas Römer:

In Aventurien eigentlich nicht mehr, außer vielleicht mal mit Gleichgesinnten aus alten Zeiten auf einem Spieletreffen. Myranor würde ich durchaus mal wieder gerne spielen, und wenn, dann jeweils mit 4.1, vielleicht mit ein bisschen Streamlining und Hausregeln.

Und noch drei allgemeine Fragen zum Abschluss

Was sind Deine aktuellen Lieblingsrollenspiele und was Deine „All-time-Favourites“?

Thomas nennt Eclipse Phase sein Lieblings-Rollenspiel. Dabei handelt es sich um ein Science-Fiction-Rollenspiel, dessen Zentrum die Idee des Transhumanismus’ (also der Digitalisier- und Übertragbarkeit des menschlichen Geistes) bildet.
Grafik: Posthuman Studios. CC BY-NC-SA. Künstler: Stephan Martiniere.

Aktuell spiele ich – wie schon seit Jahren – mehr Science Fiction: Serenity, Fading Suns, Coriolis, Eclipse Phase, ein bisschen Star Trek Adventures. Aber so sehr ich die Settings mag, wegen der Regeln würde ich keines davon sonderlich hervorheben. Immer mal wieder einige gute Ideen dabei, aber ansonsten eher ein: stört nicht. In Sachen Fantasy sind es Splittermond, Warhammer und ein bisschen D&D, teilweise Homebrew auf 3.5-Basis, teilweise 5e. Oh, und Cthulhu geht auch immer. Ausprobieren würde ich aktuell gerne Runequest, Mothership und, wenn es rauskommt, die neue Fassung von Blue Planet. Vielleicht auch mal ganz klassisch Traveller.

Am meisten gespielt habe ich vermutlich trotzdem DSA und Shadowrun, gefolgt von Serenity und Fading Suns. Das macht sie natürlich schon irgendwie zu „All-Time-Favourites“. Aber ich glaube, mein erklärtes Lieblingsspiel ist Eclipse Phase.

An welchen Rollenspielprodukten arbeitest Du gerade bzw. woran hast Du gerade die Arbeit abgeschlossen?

Bei Splittermond sitze ich noch an der Redaktion eines Bandes zur Geisterwelt und werde mich danach wohl um weitere Regionalbände kümmern. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, mache ich auch gerne kleinere Texte für andere Spiele – letztens z.B. hatte ich was für das neue Twilight 2000 auf dem Tisch. Außerdem habe ich hier noch eine Übersetzung herumliegen, die auch endlich mal fertig werden muss.

Größte Sache außerhalb von Splittermond ist momentan aber das Rollenspielsetting, das ich bei den Orkenspaltern im Twitch-Stream mit dem Chat zusammen entwickele und das sich bislang schon mal gut anlässt – schaut doch mal rein!

Und natürlich habe ich ein Setting und drei Systemkonzepte (oder so) in der Schublade liegen …

Bei Splittermond bist Du ja hauptsächlich für die Spielwelt zuständig, aber sind von Dir für die Zukunft vielleicht auch Regelprodukte geplant? Eventuell gar ein komplett neues System?

Ich bin ja bei SpliMo durchaus auch immer bei Regelprodukten dabei gewesen, gerade auch wieder beim Magieband. Aber dass ich mich wirklich um einen Regelband bei Splittermond kümmern würde, ist eher unwahrscheinlich. Und um ein komplett neues System würde ich mich auch eher außerhalb von Lorakis kümmern – siehe das oben angesprochene Projekt bei den Orkenspaltern. Und wie bei der letzten Frage auch schon gesagt: Klar wartet hier noch ein eigener Heartbreaker auf Fertigstellung und Veröffentlichung – hasse ma ne Maak?

Nachbetrachtung

Wichtigste Erkenntnis aus dem Interview ist wohl, dass Thomas die 3W20-Probe kritisch sieht und sie bei einer (natürlich rein) hypothetischen neuen DSA-Edition auch nicht mehr verwenden würde. Er nennt die schwere Einschätzbarkeit der Wahrscheinlichkeiten als hauptsächliches Problem. Nachvollziehen kann ich dies sehr gut (sowohl aus SL- als auch aus Spieler-Perspektive), würde aber persönlich in jedem Fall noch Langsamkeit, Uneleganz und einen hochabstrakten Pseudo-Realismus als Negativaspekte hinzufügen.

Als Alternativen nennt Thomas zwei verschiedene Methoden: erstens das Würfeln mit 1W20 gegen eine bzw. mit einer Summe aus Eigenschafts- und Talentwerten; zweitens das Würfeln mit 3W20, wobei jedoch nur das mittlere der drei Ergebnisse gezählt und zu einem Talentwert hinzuaddiert wird. Die erste Methode ähnelt dem Würfelprinzip aus Splittermond (das jedoch 2W10 statt 1W20 verwendet), während die zweite der Vorgehensweise in der inoffiziellen DSA-Alternative Ilaris entspricht. Persönlich mag ich die zweite Methode nicht besonders. Obwohl ich das Ilaris-Projekt insgesamt für schön und interessant halte, finde ich die Probenmechanik kaum besser als beim Original-DSA. 3W20 nämlich nur zur stochastischen Stabilisierung eines eher mittleren Ergebnisses einzusetzen, ist den Aufwand nicht wert bzw. schießt möglicherweise sogar am Ziel vorbei. Denn dass die Verstärkung eines durchschnittlichen Ergebnisses bei jeder einzelnen Probe wirklich im Endeffekt realistischer (auch im Sinne von glaubwürdiger) sein soll, halte ich für zweifelhaft. Hier ist natürlich von großer Bedeutung, was man unter einer Probe versteht, wie man ihre abstrakten Bestandteile auf die Realität der Spielwelt überträgt und wie man dabei den Zufallsaspekt des Würfels erklärt. Meine favorisierte Lösung für ein Würfelsystem in einem DSA der Zukunft lautet: 1W20 plus Wert gegen Schwierigkeit, immer.

Was die Einflüsse auf die Gestaltung der charakteristischen Regelbestandteile von DSA angeht, konnte Thomas meinen HârnMaster-Verdacht zwar nicht bestätigen, hat ihn andererseits jedoch auch nicht widerlegt. Er hält es durchaus für möglich, dass Haupterfinder Kiesow (indirekt) von HârnMaster beeinflusst war, als er die zweite DSA-Edition entwickelte. Hier möchte ich weiter forschen und auch DSA-Co-Begründer Werner Fuchs befragen.

Ein Interview mit Werner Fuchs soll dann tatsächlich den nächsten Teil dieser Serie bilden. Zwar begleitete Werner die Entwicklung von DSA nicht so lange direkt, war jedoch von vornherein mit dabei und weiß daher vermutlich auch über Ulrich Kiesows Inspirationsquellen aus dem internationalen Rollenspielbereich etwas zu sagen.

Mir persönlich hat dieses erste Interview jedenfalls bereits eine interessante neue Perspektive eröffnet. Ich finde es äußerst positiv überraschend und erfrischend, dass sich mit Thomas Römer einer der einflussreichsten DSA-Macher überhaupt kritisch gegenüber der 3W20-Probenmechanik äußert! Das lässt einen gespannt sein, welche Sichtweisen die weiteren DSA-Entwickler der frühen Zeit vertreten – sowohl bezüglich dieses als auch anderer Aspekte des Spiels.


Doch was denkt Ihr, liebe Leserinnen und Leser? Hat Euch das Interview gefallen? Findet Ihr Thomas’ Äußerungen zur 3W20-Probenmechanik auch so bemerkenswert wie ich? Was sind Eure Gedanken zu diesem und den anderen besprochenen Punkten? Gerne könnt Ihr auch Vorschläge für Fragen an Werner Fuchs äußern, den ich ja für den nächsten Teil dieser Serie interviewen möchte. Wie immer freue ich mich auf Eure Kommentare!

4 Gedanken zu „Die Entwicklung von DSA: Interview mit Thomas Römer“

  1. Ich denke man muss immer auch den Kontext von solchen Design-Entscheidungen wie der Beibehaltung der 3W20-Probe sehen. Wir Rollenspieler sparen ja nicht mit Kritik, und da ist es nur verständlich, bei der Variante zu bleiben, die die eigene Fanbase bereits kennt und mehrheitlich beibehalten möchte.

    Dennoch sehe ich den Mechanismus kritisch, insbesondere da er in Kombination mit der sonstigen Regelwustigkeit von DSA4&5 neue Spieler abschreckt.

  2. Guter Punkt! Ich habe ja schon einiges über die 3W20-Probe geschrieben, dabei aber bisher den Aspekt der Zugänglichkeit außer Acht gelassen. Für die meisten Einsteiger und Umsteiger ist der DSA-Probenmechanismus sicherlich nicht gerade einladend.

  3. Ich finde Thomas Kritik wenig überraschend.
    Wer übrigens glaubt 3W20 seien stochastisch nicht zu beherrschen sollte mal versuchen Wahrscheinlichkeiten für Star Wars Am Rande des Imperiums oder Zeitalter der Rebellion zu berechnen. Ist um ein vielfaches komplexer aber Beschwerden hört man keine.

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