D&D 5 – spaßig, aber reparaturbedürftig: Inspiration

Es geht weiter mit meiner Artikelserie zur minimalinvasiven Reparatur von D&D 5. Thema heute: Inspiration.

Mit der fünften Edition hat D&D endlich auch mal kapiert, dass non-optionale Glückspunkte zum Wiederwürfeln eine tolle Sache sind. Sie sind ein einfacher und unaufdringlicher Meta-Mechanismus, um Spielercharakteren eine gewisse „Begünstigung vom Schicksal“ zu verleihen und so ihren Stellenwert als Hauptfiguren einer interaktiven Geschichte zu stärken. Dies passt gut zur Konstellation und Dramaturgie der allermeisten Kampagnenprämissen.

Daher war ich auch zunächst hocherfreut, als ich damals von der Einführung solcher Glückspunkte bei D&D in Form der sog. Inspiration erfuhr. Zwar schien es zunächst gewöhnungsbedürftig, dass Charaktere zu jeder Zeit nur einen solchen Inspiration-Punkt haben können, aber unter Berücksichtigung einer vergleichsweise höheren Vergabefrequenz machte das dann wieder Sinn.

Die standardmäßig vorgeschlagene Methode der Vergabe versetzte mir jedoch einen Schock: Sowohl im PHB als auch im DMG wird der SL nämlich dazu angehalten, Inspiration als Belohnungs-Leckerli für „rollengerechte“ darstellerische Einzelleistungen der Spieler zu vergeben… Und ich dachte, wir hätten die Zeiten der widerwärtigen Pro-Nase-Belohnungen und der Bewertung der spielerischen Schauspielleistung durch den SL endlich hinter uns gelassen. Erholen konnte ich mich von dem Schock nicht, denn eine ähnlich große Game-Design-Watsche folgte direkt darauf: Spieler sollen sich standardmäßig untereinander mit Inspiration belohnen können und ihren Punkt an einen anderen Spieler weitergeben können — wohl frei nach folgendem unterirdischen Prinzip: „Meine Güte, Melanie, eine solch grimmige Halborkin habe ich ja schon lange nicht mehr erlebt.Wie Du Deinen Hass auf Adlige so famos in Deiner Berserkerwut ausgelebt hast. Ich applaudiere. Hier, nimm meine Inspiration.“

Warum ist das denn so schlecht?

Es soll ja Leute geben, denen es gut gefällt, wenn der SL wie ein Richter beim Eiskunstlauf die „Schauspiel-Pirouetten“ jedes einzelnen Spielers bewertet. Das dürften Leute sein, denen auch andere dumpf-gefühlsmäßige Einzelbelohnungen wie z. B. für „coole Aktionen“ oder „tolle Witze“ gefallen. Savage Worlds lässt grüßen.

Mit einiger Rollenspielerfahrung auf beiden Seiten des SL-Schirms möchte ich hier dringend zur Reflexion aufrufen. Es ist psychologisch äußerst aufgeladen und problematisch, Spielerleistungen oder Charakterleistungen separat zu bewerten. Zum einen appelliert man dadurch — ob gewollt oder nicht — an den Wettstreit-Instinkt, der auch bei ziviliertester Unterdrückungsfähigkeit in jedem von uns schlummert; zum anderen sollte erkannt werden, dass Schauspiel (ebenso wie „Coolness“ und Humor) eine überaus individuelle Angelegenheit ist. Was der eine Spieler für eine äußerst glaubwürdige oder unterhaltsame Darstellung seines Charakters hält, mag auf den anderen künstlich, klischeehaft oder langweilig wirken. Schnell kann man Spielern also Unrecht tun, wenn man sie — obwohl sie aus ihrer Sicht gut rollengespielt haben — mit einer schlechteren Kopfnote als die anderen bewertet bzw. ihnen keine Inspiration gibt.

Einzelbelohnungen und inhaltlich-qualitative Belohnungen fördern berechnendes Metadenken und Frust — Erscheinungen also, die man an einem Rollenspieltisch tunlichst vermeiden sollte. Die scheinbar auch bei Spieldesignern immer noch verbreitete Annahme, spielmechanische Belohnungen könnten tatsächlich gutes Rollenspiel hervorkitzeln (wie z. B. im Cortex-System besonders geschmacklos manifestiert), kann mit gutem Willen noch als kurzsichtig, wahrhaftiger aber eher als kontraproduktiv und spielbeschädigend angesehen werden.

Wer wirklich rollenspielen möchte, sieht per se einen Wert in Darstellung und Schauspiel und lässt diese Aspekt organisch und ohne spieltechnische Nötigung in sein Spiel miteinfließen. Dafür braucht es keine Belohnung auf Regelebene — im Gegenteil: Sie ist schädlich, meistens auch kurzfristig, in jedem Fall aber langfristig.

Der Reparaturvorschlag

Natürlich kann man Inspiration einfach weglassen, wie im DMG auf S. 241 als Variante vorgeschlagen. Das ist aber nicht meine favorisierte Alternative, schließlich halte ich, wie weiter oben ja beschrieben, das generelle Prinzip von Inspiration als Mechanismus zum Wiederwürfeln für ganz hervorragend.

Mein Lösungsvorschlag sieht stattdessen folgendermaßen aus:

  • Inspiration wird ausschließlich für das Erreichen von Meilensteinen in Abenteuern vergeben — also für Etappenziele und Hauptziele. Dabei erhalten die Spieler immer alle aufeinmal Inspiration und niemals nur bestimmte Spieler oder nur ein Teil der Gruppe. Dies entspricht dem Prinzip, das auf S. 240-241 unter A Reward for Victory im DMG vorgeschlagen wird.
  • Zusätzlich sollte vereinbart werden, dass nur der SL Inspiration vergeben kann (eben bei den entsprechenden Meilensteinen) und die Spieler sich untereinander keine Inspiration zuschustern können.

Dieses einfache, klar nachvollziehbare und unaufdringliche Verfahren holt m. E. das Beste aus der Inspiration-Idee heraus. Wichtig ist natürlich, dass der SL nicht zu knausrig mit der Vergabe ist und Inspiration nicht nur für vollständig abgeschlossene Aufgaben oder absolut tödliche Gefahren vergibt. Als Meilensteine sollten auch bereits kleinere Etappenziele gelten — wie z. B. das Erlangen einer wichtigen Information oder das Vordringen bis zu einem bestimmten Ort.

Meine Erfahrung mit dieser Vorgehensweise ist durchweg positiv: Die Spieler freuen sich über die zusätzliche Belohnungsressource neben den XP und wissen es zu schätzen, dass durch diese Art der Inspiration ihr Teamgeist und ihre Zusammenarbeit honoriert wird — also das gemeinsam Geleistete. Und genau um diesen kollaborativen Geist geht es schließlich beim Rollenspiel.


Gefällt Euch dieser Reparatur-Vorschlag? Was haltet Ihr von Inspiration und den unterschiedlichen Vergabemöglichkeiten?

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