D&D 5 – spaßig, aber reparaturbedürftig: Background-Features

D&D 5 hat viel Gutes und kann viel Spaß am Spieltisch bringen; aber es birgt auch nicht zu leugnende Probleme größerer und kleinerer Natur, die die Freude trüben können. Diese Probleme können behoben werden, und in dieser Artikelserie überlege ich, wie.

Thema heute: Background-Features

Keine Generalüberholung!

Natürlich wissen D&D-Kenner, dass auch die aktuellste Version des Urvaters der Rollenspielsysteme einige große Altlasten mitbringt, die den Designfortschritt in bestimmten Bereich deutlich ausgebremst haben. Die meisten davon sind „heilige Traditionskühe“, die der Entwickler Wizards of the Coast einfach nicht zu schlachten wagt: Dazu zählen z. B. die Gesinnungen, die Rettungswürfe, die Auswahl und Definition der sechs Attribute und das Abstraktionsungetüm „Armor Class“. Bei diesen bin ich mir sicher, dass sie schlicht deshalb bis in die fünfte Edition des Spiels überlebt haben, weil sie als ikonisch für D&D angesehen werden. Es sind nämlich keine guten Elemente, sondern einfach traditionelle Elemente.

Trotzdem soll es hier um solche Bestandteile des Spiels gar nicht gehen – denn obwohl sie unschön und eigentlich auch verbesserungswürdig sind, sind sie so stark mit dem Rest der Regeln verzahnt, dass man sehr aufwändige Änderungen vornehmen müsste, wollte man sie überarbeiten.

Ganz im Gegenteil: Hier soll es um kleine, aber feine Änderungen gehen – um minimalinvasive Eingriffe, die D&D 5 schnell und elegant besser machen können.

Heute: Background-Features

Eine sehr auffällige Tendenz bei der Entwicklung von D&D 5 ist es, Aspekte der Charakterdarstellung zu mechanisieren und sie so zum Teil der Regeln zu machen. Dass sowas in Kombination mit einem klassischen Rollenspiel-Ansatz – den D&D nun mal nach wie vor hat – nicht gut harmoniert, ist eigentlich klar. Solche experimentellen Designversuche passen in spezialisierte Indie-Rollenspiele „für die besonderen Momente“ und nicht in verlässliche und solide Allwetter-Systeme.

Ein Element aus dieser Sparte sind die Background-Features – spezielle Eigenschaften oder Fähigkeiten der Backgrounds, der neuen, dritten Säule der Charaktererschaffung bei D&D 5 (neben Rasse und Klasse). Besonders ist an diesen Background-Features vor allem, dass sie sich nicht direkt regeltechnisch, sondern narrativ im Spiel auswirken sollen: Ein Charakter mit einem bestimmten Background-Feature kann dadurch einfach bestimmte Dinge automatisch bewirken, ohne dass sie erspielt werden müssen. Ein Folk Hero kann sich beispielsweise darauf verlassen, beim einfachen Volk immer einen Unterschlupf zu finden, der Sailor erhält für sich und seine Abenteurerkollegen immer freie Passage auf Schiffen, und der Entertainer bekommt immer eine Möglichkeit, seine Unterhaltungskünste darzubieten.

Das Problem

Eigentlich gibt es gleich zwei Probleme:

1.) Spielbestandteile werden redundant.

Potenziell interessante spielerische Situationen werden durch die Background-Features sowohl auf Regel- als auch In-game-Ebene vollständig umgangen. Weder gute Ideen, gute Darstellung noch regeltechnische Vorteile kommen in der betreffenden Situation zum Tragen, denn ein Charakter mit dem passenden Background ist einfach automatisch erfolgreich.

Besonders ungeschickt designt ist in dieser Hinsicht das Background-Feature Wanderer des Outlanders, denn im Prinzip schaltet es den Aspekts des Orientierens und Überlebens in der Wildnis für die gesamte Abenteuergruppe aus. Nicht nur ist der entsprechende Charakter so gut mit den Besonderheiten jeder (!) Region vertraut, dass er sich eigentlich nicht verirren kann – er findet in halbwegs fruchtbaren Gebieten außerdem automatisch Nahrung und Wasser für sich und bis zu fünf weitere Personen (!!). Dadurch werden nicht nur ein guter Teil des Survival-Skills und der Ranger-Fähigkeit Natural Explorer redundant – viel schlimmer: Im Prinzip kann der SL durch dieses Background-Feature auf herkömmliche Wildnisherausforderungen in seiner Kampagne verzichten, denn sowohl Nahrungssuche als auch Wegfindung gelingen den SC schließlich automatisch. Wie ironisch ist es da, dass D&D 5 genaue und recht realistische Regeln für diese Aspekte bietet und sie als valide Herausforderungen präsentiert. Ein Spieler in der Gruppe wird schon clever genug sein, den Outlander-Background zu wählen…

2.) Der Charakter wird oberflächlicher.

Der Hintergrund eines Spielercharakters ist etwas Individuelles und sollte im Spiel auch so behandelt werden. Piraten, deren Ruf die einfache Bevölkerung immer erzittern lässt, Soldaten, die immer und überall einfache Ausrüstung und Pferde requirieren können, und Scharlatane, die immer verlässlich Dokumente fälschen können, sind jedoch platte und eindimensionale Klischeefiguren. Im Gegenteil: Anstatt mehr Glaubwürdigkeit oder eine interessantere Persönlichkeit zu gewinnen, werden SC durch die Background-Features comichafter und austauschbarer. Außerdem werden durch sie Aspekte der rollenspielerischen Darstellung mechanisiert, in denen ansonsten die eigene Kreativität der Spieler gefragt gewesen wäre.

Durch die Background-Features verfehlen die Backgrounds also ganz klar ihre eigentliche Zielsetzung: nämlich SC individueller zu machen und die Charakterdarstellung zu fördern. Tatsächlich wirken sie sich sogar gegenläufig aus. Ein weiteres trauriges Beispiel dafür, dass die unsägliche Mechanisierung narrativer Elemente keine positiven Spieleffekt hat, sondern nur dazu führt, dass Kreativität und Schauspiel beschnitten werden…

Die Lösung

Eine recht radikale (aber immerhin besonders schnelle) Lösung wäre es, die Backgrounds einfach vollständig herauszubauen. Rasse und Klasse, so könnte man argumentieren, haben auch bei allen bisherigen D&D-Editionen genügt und ermöglichten es Tausenden von Spielern, interessante und einprägsame Charaktere zu gestalten. Stimmt. Trotzdem macht es bei einer minimalinvasiven Reparatur Sinn, die Backgrounds zu behalten, denn sie sind durch die Proficiencies nun mal regeltechnisch mit dem Rest von D&D 5 verzahnt.

Mein Vorschlag sieht daher folgendermaßen aus:

Statt vorgefertigte Backgrounds zu wählen, sollten die Spieler standardmäßig die Regelung nutzen, die im Player’s Handbook unter Customizing a Background (ab S. 125) beschrieben wird, um damit jeweils einen neuen und individuellen Background für ihren SC zu gestalten. Sie überlegen sich erst ein Konzept für den Background und wählen dann freiheitlich zwei Skills, zwei Tool-Proficiencies oder Languages. Was sie jedoch nicht wählen: ein Background-Feature. Denn Background-Features werden einfach kategorisch gestrichen. Da sie selbst nicht ins Regelwerk verzahnt sind, funktioniert das klinisch sauber und einwandfrei. Schließlich wird noch die Anfangsausrüstung über die Alternativregelung für das Startvermögen auf S. 143 gewählt. Fertig!

Optionaler Zusatz: Sollen die Backgrounds trotzdem einen gewissen narrativen Einfluss behalten, kann vereinbart werden, dass der SL den SC in Situationen, die besonders gut zu ihrem Hintergrund passen, regeltechnische Advantages (also jeweils einen zusätzlichen Würfelwurf) auf Ability-Proben verleiht. Viel eleganter ließe sich auf diese Weise beispielsweise der Hintergrund des Outlanders ins Spiel bringen: Anstatt (mit dem Background-Feature Wanderer) seine Reisegruppe automatisch mit Nahrung und Wasser versorgen zu können, würde der Charakter schlicht Advantage auf entsprechende Wisdom-(Survival)-Proben erhalten.


Gefällt Euch dieser Vorschlag? Was haltet Ihr von den Background-Features bei D&D 5. Lasst es mich in den Kommentaren wissen!

2 Gedanken zu „D&D 5 – spaßig, aber reparaturbedürftig: Background-Features“

  1. Meiner Meinung nach sind die Backgrounds dafür da, um Einsteiger schneller zu einem Charakter zu bringen, der sich in die Spielwelt einfügt, ohne das sich der Spieler dafür die mannigfaltigen Lore rein arbeiten muss.

    Zudem ist es gerade bei einem Adventurer’s League Game einfacher, genormte Hintergrundgeschichten zu haben, so dass man mit neuen Spielern und Spielleitern an einem Tisch immer einen Einstieg ins Spiel findet.

    Deine Argumentation gerade zum Outlander fand ich echt interessant und habe gar nicht drüber nachgedacht, dass es den Waldläufer so ausbremst. Ich würde als Spielleiter da anders drauf reagieren (so könnte der Outlander die Würfe des Waldläufers unterstützen) und somit den Hintergrund anpassen, aber ja. Auf dem Papier ist das natürlich eine gewisse Redundanz.

    Ich jedoch finde die Hintergründe super, denn in der Realität habe ich leider viel zu oft Spieler*innen mit super generischen Abziehbildern ihres Lieblingsheroen aus bekannten Fantasy Werken getroffen. Lässt man sich darauf ein, einen Background tatsächlich zu würfeln, so kann man jeden Charakter wirklich einen Aufhänger geben, der auch für erfahrenere Spieler*innen eine Herausforderung darstellt.

    Gerade wenn man im Alter von 30+ mit Job, Familie, Haus, Rechnung und Co. gerne mal ganz entspannt Rollenspiel spielen will, macht man sich vielleicht nicht mehr die großen Gedanken über DEN Hintergrund wie noch mit 16 Jahren. Und deswegen finde diese überaus gelungen und höchstens im Detail verbesserungswürdig.

    Und im übrigen mag ich die von dir als Redundanzen genannte Spielmechaniken gerade aus dem von dir genannten Grund: sie sind ein essentieller Teil von D&D. Klar geht es auch ohne, aber tatsächlich ginge kooperatives narratives Storytelling ohne Würfel, Regelbücher und Charakterblätter. Kreativität kennt keine Grenzen und D&D verlangt ja nie von seinen Benutzern, sich sklavisch an das Regelwerk zu halten, ganz im Gegenteil. 🙂

  2. Vielen Dank für diesen sehr ausführlichen Kommentar!

    Gegen die Tabellen für zufällige Hintergrundereignisse und Charakterzüge habe ich tatsächlich gar nichts, die finde ich sogar hilfreich – gerade für solche Spieler, die eben nicht die Zeit oder Energie haben, sich selbst einen originellen Charakterhintergrund zu überlegen.

    Meinetwegen können auch weiter die vorgefertigten Hintergrundpakete angeboten werden, um eiligen oder unerfahrenen Spielern eine Auswahl zu geben. Mein eigentliches Problem sind jedoch die leidigen Background-Features. Egal ob man es mit Neulingen oder Veteranen zu tun hat oder ob man viel oder wenig Zeit in die Charaktererstellung investieren kann – die Features sind doch arg plump. Viel eleganter wären hier situative Bonusse oder eben Advantages gewesen, die keine automatischen Erfolge oder verlässliche Beeinflussungen der Spielwelt produzieren.

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